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EuGH: Selbst ohne Antrag kein automatischer Urlaubsverfall

EuGH: Selbst ohne Antrag kein automatischer Urlaubsverfall
21. November 2018 buroh-steinhauer

Das Urlaubsrecht war seit jeher ein komplexes Thema und wird es auch künftig bleiben, da mittlerweile auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs maßgeblichen Einfluss nimmt. So hat der EuGH mit Urteilen vom 06.11.2018 (C-619/16 und C 684/16) entschieden, dass ein Arbeitnehmer seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch deshalb verlieren darf, weil er keinen Urlaub beantragt hat.

Im ersten Fall war der Kläger Rechtsreferendar beim Land Berlin und leistete dort seinen juristischen Vorbereitungsdienst ab. Während der letzten Monate nahm er keinen bezahlten Jahresurlaub. Nach dem Ende des Vorbereitungsdienstes beantragte er finanzielle Vergütung für die nicht genommenen Urlaubstage. Das Land lehnte den Antrag ab. Der Kläger focht daraufhin die Ablehnung vor den Deutschen Verwaltungsgerichten an. 

Im zweiten Fall ging um einen bei der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften beschäftigten Kläger. Etwa zwei Monate vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses bat die Beklagte den Kläger, seinen Resturlaub zu nehmen (ohne ihn jedoch zu verpflichten, den Urlaub zu einem von ihr festgelegten Termin zu nehmen). Der Kläger nahm nur zwei Urlaubstage und beantragte die Zahlung einer Vergütung für die nicht genommenen Urlaubstage, was die Beklagte ablehnte. Der Kläger wandte sich daraufhin an die Deutschen Arbeitsgerichte.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg und das Bundesarbeitsgericht wollten daraufhin wissen, ob das Unionsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, die den Verlust des nicht genommenen bezahlten Jahresurlaubs und den Verlust der finanziellen Vergütung für diesen Urlaub vorsieht, wenn der Arbeitnehmer den Urlaub nicht vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses beantragt hat. Der EuGH hat entschieden, dass das Unionsrecht es nicht zulässt, dass ein Arbeitnehmer die ihm gemäß dem Unionsrecht zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den nicht genommen Urlaub automatisch schon allein deshalb verliert, weil er vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses (oder im Bezugszeitraum) keinen Urlaub beantragt hat. Diese Ansprüche können nur untergehen, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber, z. B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die fraglichen Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen, was der Arbeitgeber zu beweisen hat.

Begründet wird dies u. a. damit, dass der Arbeitnehmer als die schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses anzusehen sei. Er könne daher davon abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen, da insbesondere die Einforderung dieser Rechte ihn Maßnahmen des Arbeitgebers aussetzen kann, die sich zu seinem Nachteil auf das Arbeitsverhältnis auswirken können.

Ist der Arbeitgeber hingegen in der Lage, den ihm insoweit obliegenden Beweis zu erbringen, dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, nachdem er in die Lage versetzt worden war, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen, steht das Unionsrecht dem Verlust dieses Anspruchs und – bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – dem entsprechenden Wegfall der finanziellen Vergütung für den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub nicht entgegen.

Der Gerichtshof stellte weiterhin fest, dass diese Grundsätze unabhängig davon gelten, ob es sich um einen öffentlichen oder einen privaten Arbeitgeber handele.

Beraterhinweis:

Da einfache Hinweise etwa im Arbeitsvertrag auf den möglichen Verfall des Urlaubs nicht ausreichen werden, ist Arbeitgebern zu empfehlen, jedenfalls ab der zweiten Jahreshälfte alle Arbeitnehmer darüber zu informieren, dass Urlaubstage, die nicht verlangt wurden, am Jahresende oder evtl. am Ende einer Übertragungsfrist im Folgejahr endgültig verfallen und auch eine finanzielle Abgeltung nicht mehr möglich ist. Zugleich sollte auch über die Anzahl der noch nicht beantragten Urlaubstage informiert und alles sorgfältig dokumentiert werden.